Foto: Esther Haase
„Das SUDEP Risiko wird immer runtergespielt. Total wenige sterben an SUDEP, das passiert eigentlich keinem, wird gesagt. Ich bin doch sehr erschrocken, wie viele Menschen jährlich an SUDEP sterben. Und keiner weiß es. Ärzte verschweigen es, spielen es runter. Patienten wissen es nicht. Eltern oder Betreuende wissen es nicht. Keiner nimmt es ernst.“
Peggy (34) lebt mit Epilepsie
PEGGY BAHL-CHRIST
Peggy (34 J.) unterrichtet Tanz. Trotz jahrelanger Therapie ist sie bislang nicht anfallsfrei. Peggy wünscht sich, dass allgemein offener über Epilepsie und auch SUDEP gesprochen wird. Risikoaufklärung über Epilepsie sollte selbstverständlich sein. Ihre Erfahrung ist: die Erkrankung wird systematisch verharmlost. Obwohl das Wissen um Gefahren und Risikovorsorge Leben retten kann. Peggy ist wichtig, dass Menschen mit Epilepsie nicht isoliert oder ausgegrenzt werden. Epilepsie wird häufig mit einer geistigen Behinderung gleichgesetzt, und das ist einfach nicht zutreffend. Die Nichtaufklärung von Epilepsiepatienten über Krankheitsrisiken bedeutet für Peggy, dass Menschen mit Epilepsien nach wie vor diskriminiert werden – durch informationelle Ausgrenzung.
Das höchste Ziel einer ärztlichen Behandlung ist die Genesung der Patient:innen. Kann Epilepsie überhaupt geheilt werden?
Therapieziel: Anfallsfreiheit
Anfallsfreiheit ist das primäre Ziel der Epilepsie-Behandlung. Mit antikonvulsiven Medikamenten behandelt man die Symptome der Epilepsie, nicht aber die Epilepsieursache. Bei vielen Patient:innen ist hierdurch eine gute Anfallskontrolle möglich. Dies bedeutet, dass man entweder völlige Anfallsfreiheit erreicht oder jedenfalls nur sehr wenige Anfälle bei guter Verträglichkeit des Medikaments bzw. der Medikamente hat. Wird eine Anfallsfreiheit mit der medikamentösen Behandlung nicht erreicht, dann werden zumindest eine Senkung der Anfallshäufigkeit und eine Verminderung der Anfallsstärke angestrebt. Eine vollständige Heilung kann nach derzeitigem Wissensstand nur mit Epilepsiechirurgie erreicht werden, denn hierdurch beseitigt man die Ursache der Epilepsie (→ Therapie).
Aktuellen Leitlinien zufolge gilt Epilepsie als „überwunden“, wenn Patient:innen mit einem altersabhängigen Epilepsie-Syndrom jenseits des entsprechenden Alters anfallsfrei sind oder wenn Patient:innen mindestens 10 Jahre anfallsfrei sind und seit mindestens fünf Jahren keine Anti-Anfallsmedikamente mehr einnehmen. Anfallsfrei zu sein bedeutet auch: man hat kein SUDEP-Risiko mehr.
Ob eine Epilepsie tatsächlich als überwunden gelten kann bzw. wie hoch ein mögliches Risiko für das Wiederauftreten der Anfälle ist, ist derzeit nicht eindeutig zu beantworten. Fachgesellschaften sehen das Beenden einer antikonvulsiven Therapie daher als problematisch an. Bevor eine antiepileptische Therapie beendet wird, sollte sorgfältig überlegt werden, ob die Ursachen der Epilepsie weggefallen sind. Die Konsequenzen eines Rezidivs müssen gegen die Vorteile des Absetzens abgewogen werden.
Ein Versuch, die Medikamente abzusetzen, könnte unter folgenden Voraussetzungen überlegt werden:
Eine generelle Empfehlung, wann bzw. bei welchen anfallsfreien Patient:innen die Medikamente abgesetzt werden können, kann nicht gegeben werden. Ob Anti-Anfallsmedikamente weggelassen werden können oder nicht, ist also von Patient:in zu Patient:in unterschiedlich und muss stets unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten entschieden werden. Die Anti-Anfallsmedikamente können nur dann in enger Abstimmung mit der behandelnden Fachärztin bzw. dem behandelnden Facharzt schrittweise abgesetzt werden, wenn davon auszugehen ist, dass das Auftreten von Anfällen zumindest so unwahrscheinlich ist, dass das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen der medikamentösen Behandlung ungefähr ebenso hoch ist wie das Risiko für ein Auftreten weiterer Anfälle.
Das Absetzen der Medikamente sollte aber sorgfältig überlegt werden, denn die grundsätzliche Neigung für epileptische Anfälle bleibt bestehen. Grundsätzlich wirken Anti-Anfallsmedikamente nur symptomatisch, indem sie Anfälle unterdrücken; die Ursache der Erkrankung bleibt jedoch bestehen.
„Ich habe, als ich krank wurde, erfahren: an Epilepsie stirbt man nicht. Jetzt weiß ich mittlerweile: an Epilepsie stirbt man doch, nämlich an SUDEP. Und das sollten auf jeden Fall alle erfahren.“
Peggy